NIEMAND BLEIBT ZURÜCK

Unsere Forderungen für ein gerechtes Sozialsystem:

– Verankerung eines substanziellen Vermögensfreibetrags zur Sicherung einer würdevollen Existenz im Rahmen der Mindestsicherung.

– „Sozialhilfe neu“ für ein existenzsicherndes letztes Auffangnetz.

– Das letzte soziale Auffangnetz muss im Rahmen der Frage „Was brauchen Menschen in Österreich, um ihre Existenz in Notlagen zu sichern und soziale Teilhabe ermöglichen?“ definiert werden und nicht durch teils fremdenfeindliche Neiddebatten. Daher fordern wir die Reform der „Sozialhilfe“, die eine Wiedereinführung österreichweit geltender Mindeststandards vorsieht, die nicht willkürlich Personengruppen (wie subsidiär Schutzberechtigte im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) vom Anspruch ausschließt, in der alle Kinder gleich viel wert sind und die ausreichend Flexibilität erlaubt, um auf regionale Herausforderungen (wie z.B. höhere Wohnkosten) reagieren zu können.

– Arbeitslosenversicherung, muss tatsächlich gegen Arbeitslosigkeit versichern.

– Dauerhafte Erhöhung des Arbeitslosengeldes durch Anhebung der Nettoersatzrate sowie ein klares Bekenntnis zur Notstandshilfe – diese darf nicht angetastet werden.

– Die Einführung einer Grundsicherung nach dem Modell der Volkshilfe für alle Kinder und Jugendlichen, die in Österreich leben (bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres).

– Einen staatlich garantierten Anspruch auf Unterhaltsvorschuss solange Familienbeihilfe bezogen wird.

– Anpassung der Unterhaltsbemessung an angemessene Regelbedarfssätze.

– Entkoppelung der Zahlung von der Zahlungsfähigkeit des/der Unterhaltspflichtigen unter Beibehaltung der Verpflichtung zur Rückzahlung.

    “Arm ist nicht nur, wer in Pappschachteln am Bahnhof übernachten oder die Tage auf Parkbänken verbringen muss, sondern arm ist, wer am Alltagsleben nicht teilnehmen kann.” (Armutskonferenz 2020)

    Laut Statistik ist Armut und soziale Ausgrenzung gegeben, wenn geringes Einkommen auch mit Einschränkungen in zentralen Lebensbereichen verbunden ist. Die Armutsgefährdungsschwelle liegt derzeit bei 1.259 Euro für einen Einpersonenhaushalt (EU-SILC 2018 – Stand 2019). Die meisten Einkommen armutsgefährdeter bzw. von Armut betroffener Menschen liegen allerdings weit unter dieser Schwelle, so haben rund 300.000 Menschen nicht mehr als 600 Euro zur Verfügung. Einschränkung in zentralen Lebensbereichen bedeutet beispielsweise, dass die Betroffenen abgetragene Kleidung nicht ersetzen, die Wohnung nicht angemessen warm halten oder unerwartete Ausgaben tätigen können (vgl. Armutskonferenz 2020).

    Wir als Junge Generation und SPÖ stehen für eine Gesellschaft, an der alle Menschen teilhaben können und die gleichen Chancen auf ein gutes Leben haben, unabhängig von ihrem sozioökonomischen Status. Im Folgenden stellen wir einige unserer Forderungen kurz dar, die einen Beitrag zu mehr Chancengleichheit und sozialer Teilhabe leisten sollen.

    Für eine existenzsichernde Unterhaltsgarantie

    In Österreich leben rund 180.000 alleinerziehende Personen, 90 Prozent davon sind Frauen. Diese sind durch die vielfachen Belastungen einem besonders hohen Armutsgefährdungsrisiko ausgesetzt. In etwa der Hälfte der Fälle wird über einen längeren Zeitraum hinweg zu wenig oder gar kein Unterhalt ausgezahlt. Denn die Klärung dieser Ansprüche dauert oft mehrere Monate, in denen rund 70.000 betroffene Kinder keinerlei oder zu wenig Unterhalt bekommen. Der Staat übernimmt bisher nur dann automatisch die Alimente, wenn der/die Schuldner*in bekannt ist, sich im Inland befindet und die Höhe des Unterhalts bekannt ist. Des Weiteren besteht der Unterhaltsvorschuss nur bis zum vollendeten 18. Lebensjahr. Wenn Jugendliche sich darüber hinaus in einer Ausbildung befinden oder ein Studium absolvieren müssten sie einen Elternteil vor Gericht klagen, denn alle Behörden (z.B. die Stipendienstelle) berechnen ihre Leistungen unter Einbeziehung der Alimente.

    372.000 Kinder und Jugendliche sind armuts- und ausgrenzungsgefährdet, also jedes fünfte Kind. Die Einführung einer staatlichen Unterhaltsgarantie für alle Kinder, unabhängig von der Situation des abwesenden Elternteils, wäre somit ein wichtiger Schritt, um Kinderarmut nachhaltig zu bekämpfen. (vgl. Frauenvolksbegehren 2020)

    Jedem Kind alle Chancen – für ein Österreich ohne Kinderarmut!

    Am Weg hin zu einer gerechten, gleichberechtigten und offenen Gesellschaft muss der Kampf gegen strukturelle Armut im Zentrum aller progressiven Bemühungen stehen. Österreich ist das drittreichste Land der EU – und dennoch sind noch immer 14% der Bevölkerung armutsgefährdet. Hinter dieser Zahl stehen Familien, die am Ende des Monats nicht genug Geld für die Miete oder Essen, für die Heizung oder sogar Medikamente haben. Ganz besonders betroffen davon sind Kinder und Jugendliche. 372.000 junge Menschen sind in Österreich armuts- und ausgrenzungsgefährdet – das ist jedes 5. Kind!

    In der Praxis bedeutet das massive Einschränkungen für die betroffenen Kinder, ihre Familien und unsere gesamte Gesellschaft: Studien zeigen, dass Kinder aus einkommensschwachen Familien bei ihrer Geburt ein geringes Geburtsgewicht haben, häufiger in Unfälle verwickelt sind und öfter über Bauch- oder Kopfschmerzen klagen. Im Bereich der Bildung und möglicher Aufstiegschancen sind es gerade diese Kinder, die aus finanziellen Gründen oft nicht auf Nachhilfeunterricht oder Förderkurse zugreifen können. Schon heute investiert Österreich viel, um diese Benachteiligungen beispielsweise durch Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag abzufedern. Das Fortbestehen massiver Kinderarmut mitten in unserer Gesellschaft zeigt aber, dass diese Unterstützungsleistungen ihren Zweck gerade in jenen Teilen der Bevölkerung zu wenig erfüllen, die am dringendsten Unterstützung brauchen: Fakt ist, dass gerade arme Familien oft am wenigsten aus Beihilfen beziehen – entweder aufgrund des bürokratischen Aufwands, der für wirtschaftsstarke Bevölkerungsgruppen leichter zu bewältigen ist, oder per Gesetz, wie beispielsweise beim Familienbonus. Gleichzeitig nehmen die bewussten Spaltungsversuche unserer Gesellschaft, wie bei der Indexierung der Familienbeihilfe, auch unter der schwarz-grünen Regierung kein Ende.

    Für eine mutige, kämpferische Sozialdemokratie ist dieser Zustand untragbar – wir treten ein für ein Land, in dem jedes Kind alle Chancen bekommt und in dem Kinderarmut endlich der Vergangenheit angehört: Die Junge Generation in der SPÖ bekennt sich daher zur Einführung einer Kindergrundsicherung für alle in Österreich lebenden Kinder und Jugendliche!

    Wir fordern die Umsetzung eines Modells, in dem alle jungen Menschen bis zu ihrer Volljährigkeit eine staatlich finanzierte Grundsicherung erhalten. Diese fasst die bisherigen Pauschalleistungen und steuerlichen Begünstigungen – Grundbetrag Familienbeihilfe, Geschwisterstaffelung Familienbeihilfe, Kinderabsetzbetrag, Mehrkindzuschlag, Familienbonus sowie Schulstartgeld – zusammen und benötigt zusätzliche staatliche Investitionen in Höhe von rund 500 Millionen Euro. Entsprechend den Berechnungen der Volkshilfe Österreich und des Europäischen Zentrums für Wohlfahrtspolitik soll diese Kindergrundsicherung ausgehend von einem Grundbetrag von 200 Euro pro Kind und Monat steigen, je geringer das Einkommen der Eltern ist – der Maximalbetrag pro Kind beträgt 625 Euro monatlich, für Haushalte mit einem Jahreseinkommen von weniger als 20.000 Euro. Damit wäre die Kindergrundsicherung ein Meilenstein in der Geschichte der Armutsbekämpfung in Österreich. Als Junge Generation fordern wir diesen wichtigen Schritt, um nicht nur der Kinderarmut wirksam den Kampf anzusagen, sondern auch das Vertrauen marginalisierter Bevölkerungsgruppen in unseren Sozialstaat durch mutige Reformen wiederzubeleben. Wir stehen für ein Land, in dem jedes Kind – unabhängig von der Geldtasche und dem Reisepass der Eltern – alle Chancen bekommt!

    Die sozialen Netze müssen halten!

    Die Bekämpfung der COVID-19-Pandemie hatte nicht nur weitreichende Folgen für unser gesellschaftliches Zusammenleben, sondern sie stellt auch einen Belastungstest für unsere sozialen Sicherungssysteme dar. Wir verzeichneten zwischenzeitlich 1,5 Millionen Menschen in Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit und sehen Arbeitslosenraten, die sogar jene der Nachkriegszeit der 1950er übertreffen. Die konjunkturelle Lage und das verhaltene Anlaufen des Arbeitsmarkts dämpft zusätzlich die Hoffnung auf einen raschen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt.

    Umso wichtiger ist ein funktionierender und existenzsichernder Sozialstaat, der dabei hilft, Episoden von Arbeitslosigkeit zu überbrücken, ohne Menschen dabei zusätzlich zum Jobverlust in die Armut zu drängen. Unsere sozialen Sicherungsnetze bestehen v.a. aus Leistungen der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe) sowie der subsidiären Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) bzw. Sozialhilfe. Personen, die die nötigen Voraussetzungen erfüllen, haben grundsätzlich für mind. 20 Wochen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Nach Auslaufen dieses Anspruchs folgt die Notstandshilfe, welche 92 Prozent des zuvor bezogenen Arbeitslosengeldes beträgt. Die Höhe des Arbeitslosengeldes („Nettoersatzrate“) liegt bei 55 Prozent des Letztnettoeinkommens, womit Österreich im EU-Vergleich lediglich auf Rang 22 liegt. Dieser doch sehr drastische Einkommensverlust bei Arbeitslosigkeit stellt daher – v.a. bei anhaltender Dauer – eine wesentliche Armutsfalle dar.

    Wenn überhaupt kein Einkommen vorhanden ist, so besteht die Möglichkeit als letztes soziales Netz Leistungen aus der bedarfsorientierten Mindestsicherung oder Sozialhilfe zu beantragen. Zudem können Leistungen der Sozialhilfe zum „Aufstocken“ auf die Höhe der entsprechenden Richtsätze bezogen werden, wenn das AMS- oder Erwerbseinkommen nicht ausreicht, um diese Richtsätze zu erreichen. In Wien sind beispielsweise 70 Prozent der Mindestsicherungsbezieher*innen solche „Aufstocker*innen“.

    Bis Ende 2016 haben sich die Bundesländer im Rahmen einer 15a-Vereinbarung auf Mindeststandards geeinigt, welche Untergrenzen für den Bezug von BMS festlegten. ÖVP-FPÖ haben die BMS mit dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz von einem System von Mindest- zu Höchstsätzen umfunktioniert, Leistungen gekürzt und gedeckelt und wollten zusätzlich noch Kindersätze kürzen und Menschen auf Basis ihrer Deutschkenntnisse diskriminieren. Die beiden letzteren Punkte wurden, nach einer Klage von den SPÖ-Bundesrät*innen, vom VfGH aufgehoben. Übrig bleiben ein lückenhaftes Rahmengesetz und neun unterschiedliche Regelungen vom Burgenland bis Vorarlberg.

    Nach der türkis-blauen Bundesregierung, die in der Vergangenheit immer wieder versucht, diese sozialen Sicherungsnetze zu schwächen oder, wie im Fall der Notstandshilfe, komplett zu streichen, scheint auch die türkis-grüne Bundesregierung keine bedeutende sozialpolitische Kursänderung vorzunehmen. Die sozialpolitischen Maßnahmen während der Corona-Krise zeichnen sich v.a. durch einen ausgeprägten Almosen-Charakter aus (Notstandshilfeerhöhung, Einmalzahlung Arbeitslosengeld) oder kommen nicht bei den einkommensschwächsten Haushalten an (Familienhärteausgleich, Notstandshilfeerhöhung).

    Almosenpolitik zum Zeitpunkt einer der größten sozialen Krisen der Nachkriegszeit ist an Chuzpe nicht zu überbieten und widerspricht dem Grundgedanken eines solidarischen Sozialstaats. So lassen auch die Dimensionen der beschlossenen Einmalhilfen daran zweifeln, dass diese tatsächlich zur Überwindung der entstandenen Notlagen ausreichen. Doch auch über Krisenzeiten hinaus bedarf es wieder einer Rückbesinnung darauf, was ein moderner Sozialstaat leisten muss und weniger darauf, was er leisten darf.

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