Ein Kontinent, der seit dem Fall des Eisernen Vorhangs wie kein anderer die Hoffnungen und Phantasien seiner Bevölkerung auf eine friedliche, sichere Zukunft und ein Leben in Würde beflügelt hat.
Ein Kontinent, welcher noch vor wenigen Jahren in weiten Teilen als Oase des Wohlstands, der BürgerInnen- und Menschenrechte galt.
Ein Kontinent, der die Welt lange mit den Mitteln der Unterdrückung dominierte, ausbeutete und seinem Willen unterwarf und der gerade deswegen als leuchtendes Vorbild in das 21. Jahrhundert voranschreiten will.
Wie wir leider erkennen müssen, ist dieses Europa ein Traum geblieben.
Im Kielwasser des Neoliberalismus wurden Sozialabbau, Deregulierung und Entsolidarisierung zu einem bestimmenden Element europäischer Politik. Der Wille zum Frieden zwischen einstmals verfeindeten Ländern, der dem europäischen Gedanken zu Grunde lag, war immer auch verbunden gewesen mit der Erkenntnis, dass dieser Friede nur mit sozialem Ausgleich in diesen Staaten möglich war. Arbeitslosigkeit, Massenelend und politische Radikalisierung hatten geradewegs zu Faschismus und Weltkrieg geführt, und dies sollte sich nicht mehr wiederholen.
1989 brach der Ostblock zusammen. Hinweggefegt wurden nicht nur Willkür und Polizeistaat, auch die Planwirtschaft fand ihr ungeplantes Ende. Angesichts der Tatsache, dass selbst das China Mao Zedongs die Marktwirtschaft einführte, ist es wohl nicht zu hoch gegriffen, von einem globalen Triumph der kapitalistischen Wirtschaftsordnung zu sprechen.
Mit dem Zusammenbruch des Kommunismus und dem Vormarsch des Neoliberalismus gingen viele Grundsätze verloren, die ein geeintes Europa erst zu einem echten Hoffnungsträger auf Frieden, Fortschritt und Wohlstand gemacht hatten.
Die Freiheit der Wirtschaft, gepaart mit strikter staatlicher Budgetdisziplin, wurde mehr und mehr zu einem Mantra, dem sich die Menschen in Europa unterordnen mussten, auch wenn dies den Abbau des sozialen Netzes, den Verlust von sicheren Arbeitsplätzen und eine Wohlstandsschere wie in den 1930er Jahren zur Folge hatte. Die Finanzkrise von 2008 führte nicht, wie von vielen erhofft, zu einer Trendumkehr und einem Umdenken der politischen Eliten in Europa. Anstatt dem Finanzsektor wirksame Schranken aufzuerlegen und „systemrelevante“ Banken zu zerschlagen, wurden die Nationalstaaten, deren Budgetdefizite durch die Rettungsmaßnahmen im Gefolge der Krise explodierten, zu drastischen Sparmaßnahmen verpflichtet. Ganze Gesellschaften, wie jene Griechenlands oder Portugals, sind seither in Massenarmut und Rekordarbeitslosigkeit gefangen.
Gleichzeitig ist sich die Europäische Gemeinschaft über ihre internationale Verantwortung scheinbar im Klaren. Die pro-russische Oligarchenregierung der Ukraine wurde mit wohlwollender Zustimmung europäischer PolitikerInnen durch eine pro-europäische Oligarchenregierung ersetzt. Seitdem befindet sich die Ukraine, die nun doch ein Assoziierungsabkommen mit der EU ratifizierte, in einem unerklärten Krieg mit Russland und fällt, trotz verbissener Bemühungen dies- und jenseits des Atlantiks, langsam in Agonie. Die europäisch-russischen Beziehungen liegen derweil, unter dem Eindruck von Sanktionen und einer Propagandaschlacht, am Boden.
In Nord-Afrika beteiligten sich EU-Mitgliedsstaaten wie Frankreich und Großbritannien im Rahmen der NATO 2011 an der Beseitigung des Diktators Gadaffi in Libyen, ohne sich groß Gedanken um eine Post-Gadaffi-Ära dort zu machen. Heute zerfällt das Land in seine Einzelteile, der Islamische Staat ist auf dem Vormarsch und die Küsten Libyens sind regelmäßig Ausgangspunkt riskanter Fluchtversuche verzweifelter Menschen Richtung Italien.
Auch in Syrien, wo seit 2011 ein Bürgerkrieg tobt, ergriff die EU mittels Sanktionen Partei gegen den Machthaber Assad und Frankreich begann, einzelne „gemäßigte“ Rebellengruppen mit Waffen zu beliefern. Seither entwickelte sich der IS zu einer ernsten Bedrohung und man weiß, dass er dies vor allem auch mit Waffen erreichte, die ihm aus westlichen Lieferungen in die Hände fielen. Eine Bombenkampagne unter Führung der USA mit europäischer Beteiligung brachte wenige Erfolge, dafür aber tote ZivilistInnen und neuen Zulauf für die Flüchtlingslager in den benachbarten Ländern. Russland setzt ebenfalls auf Bombardements und versucht damit, das Assad-Regime zu stabilisieren, während der EU-Beitrittskandidat Türkei aus Angst vor der Unabhängigkeit Kurdistans ihrerseits militärisch eingreift.
Die aus diesen Kriegen in Nahost und Nord-Afrika resultierenden Flüchtlingsbewegungen sind somit nicht „vom Himmel“ gefallen oder Ausdruck einer primär wirtschaftlichen Motivation dieser Menschen. Sie sind, ganz im Gegenteil, eine direkte Folge von westlicher, und damit gerade auch europäischer, Politik, die seit dem Einmarsch in den Irak 2003 geradezu verbissen auf militärische Lösungen zu setzen scheint, obwohl sie, wie in Syrien, angesichts der unzähligen Konfliktparteien unrealistisch sind.
Einer Politik, die gerne vom „Friedensprojekt Europa“ spricht, damit jedoch außer Acht lässt, dass durch die Entwicklungen der letzten Jahre in den europäischen Gesellschaften ein Verteilungskampf um das kleine Stück des Kuchens droht, das Großkonzerne, Oberschicht und internationale Finanzmärkte ihnen noch überlassen. Besonders Europas Süden wurde zu einem Armenhaus.
Einer Politik, die kriegerische Konflikte in Europas Nachbarschaft nicht nur durch Waffenlieferungen anheizt, sondern auch noch an den damit verbundenen Exporten Geld verdient, anstatt die Spirale der Gewalt durch ein striktes Waffenembargo zu verlangsamen. Dieselbe Politik, die sich dennoch (oder gerade deswegen) als unfähig erweist, jenen Menschen, die aus eben diesen Kriegsgebieten fliehen, Schutz und Sicherheit zu gewähren.
Europa ist für uns primär ein Projekt der Völkerverständigung und des Fortschritts mit friedlichen Mitteln, der sozialen Sicherheit und des Ausgleichs. Aber dies kann nicht nur ein nach innen gerichteter Anspruch der europäischen Gemeinschaft sein.
Europa soll als Friedensprojekt über seine Grenzen hinausstrahlen und mit all seiner Macht darauf hinwirken, dass Konflikte in seiner Nachbarschaft mit Worten anstatt Waffen gelöst werden.
Kommt es dennoch zu Kriegen, so ist Europa mit seiner wirtschaftlichen Kraft und seinem Anspruch, die Menschenrechte zu achten und zu wahren, eindeutig gefordert, sich in Solidarität zu üben und die Grenzen nicht zu verschließen.
Die Bundeskonferenz der Jungen Generation fordert daher:
- den Einsatz aller MandatarInnen der SPÖ auf europäischer und bundespolitischer Ebene für die Beibehaltung offener Staatsgrenzen sowie europäischer Außengrenzen und die Möglichkeit für Flüchtlinge, diese legal zu überschreiten.
- das Verbot von Waffenlieferungen aus der EU in Bürgerkriegsländer sowie an autoritäre Staaten. den Einsatz aller MandatarInnen der SPÖ auf europäischer und bundespolitischer Ebene für Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten Europas und die gerechte Verteilung des erwirtschafteten Wohlstandes. Damit Europa kein Projekt der Eliten bleibt.
- den Einsatz aller MandatarInnen der SPÖ auf europäischer und bundespolitischer Ebene sowie der sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung für ein Ende der Eskalationslogik in diplomatischen Konflikten.